Freitag, 24. April 2009

The man who would be king





Weitgehend unbeachtet vom Ausland hat der Wahlkampf in Afghanistan offiziell begonnen. 39 Kandidaten, darunter ein paar Frauen, sind bisher im Rennen. 21 Bewerber mehr als bei der Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren. Ein gutes Zeichen?, will ich von meinen Begleitern – einem Berater des Kulturministeriums und dem Leiter einer deutsch-afghanischen Hilfsorganisation - wissen, die mit auf dem Weg nach Kunduz und Faizabad sind.
Sie schütteln den Kopf. Die meisten Kandidaten würden Familien- und Stammes-Interessen verfolgen anstatt das Land als Ganzes im Auge zu haben. Sie beklagen die niedrigen Hürden, die das Wahlgesetz festlegt. Mit 10.000 Unterschriften und einem Startgeld von umgerechnet rund 2.000 US-Dollar sei man Kandidat. Das öffne Tür und Tor für wenig erfahrene Bewerber.
Über Handy empfangen wir alle eine sms in der es heisst: „Registrieren sich Sich jetzt für die Wahl, wenn Sie noch keine Gelegenheit dazu hatten.“ Es sind private Telefon-Gesellschaften, die die sms verbreiten. Sie arbeiten für den Staat, wenn es sich irgendwie rentiert.
Von einer Euphorie unter den Wählern kann keine Rede sein. Die wenigsten haben den Eindruck, dass irgendein Politiker sie angemessen vertritt. Das gilt für den Präsidenten ebenso wie für das Parlament.
Trotzdem scheint es, als halte Karsai mehr Trümpfe in der Hand, als es noch vor wenigen Wochen schien. Der Kabul-Besuch von US-Vizepräsident Biden hatte in den Medien den Eindruck erweckt, als hätte das Obama-Team den Count-Down des Mannes mit Pakul und Chapan eingeleitet und arbeite seither an seiner Demontage.
Die USA sind mehr als nur das Zünglein an der Waage: der aussichtsreiche Kandidat und voraussichtlich kommende Präsident wird von der US-Regierung auserkoren, bevor er ‚frei’ gewählt wird. Schon seit Wochen hält sich die gesamte politische Klasse in Afghanistan bedeckt und schaut nach Washington. Er wenn feststeht, wen die Obama-Regierung favorisiert, kommen alle aus der Deckung.
Trotz erheblicher Schwächen, Fehler, einer korrupten Regierung und fehlender Sicherheit im Land geniesst Karsai den Vorteil des Amtsinhabers: er ist landesweit bekannt (die meisten seiner Konkurrenten sind das nicht), verfügt über Hubschrauber, die ihn jederzeit schnell an irgendeinen Ort bringt; er kann den Medienapparat der Regierung wie der ‚privaten’ Sender nutzen, manipulieren oder zensieren (was faktisch stattfindet; trotzdem wäre es falsch, gerade im Vergleich zu den Nachbarstaaten Afghanistans von einer überwiegend unfreien Presse zu reden). Karsai hat – last but not least – indirekt Zugriff auf Gelder der Geberländer. Das jüngste Mammut-Projekt, den Bau der Strasse zwischen Kunduz und Faizabad (Foto) kann sich Karsai auf die Fahnen schreiben. Über 100 Kilometer fahren wir vorbei an neu eingerichteten Zementfabriken, Dutzenden von Baggern, Walzfahrzeugen und afghanischen Tagelöhnern, die in sengender Sonne Zentnerlasten ohne Behilfsmitteln schleppen.
Kanidaten mit Chancen, die sonst noch genannt werden sind Ashraf Ghani (ehemaliger Finanzminister in einem vorherigen Kabinett Karsais und selbst ein Paschtune) und Ali Ahmad Jalali, wie Ghani ein ehemaliger Weggefährte Karsais. Als Innenminister hat er seinerzeit die grassierende Korruption im Staatsapparat scharf gerügt und sich dann zurückgezogen. Auch er ist ein Afghane mit us-amerikanischem Pass.
Jetzt stehe ich vor dem Mann, der Jalalis Wahlkampagne in der Provinz Badakhshan leitet.
“Bis zu 70 Prozent in den Dörfern und Orten, wo ich bin, sind bereit für Jalali zu wählen“, ist er zuversichtlich. Jalali habe gute Aussichten, denn er sei in den USA Dozent von Obama gewesen. Zugleich schwingt eine Grundskepsis mit. „Ich fahre die Kampagne für Jalali, weil er sich gegen die Korruption einsetzt und für einen effektiveren Staatsapparat. Sollte es aber so sein, dass er sein Wort selbst nicht halten kann, dann werden wir wieder Abstand von ihm nehmen.“

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