Montag, 23. März 2009

Nawroz (Neujahr) III





Sieben bis acht Stunden Fahrt sind es von Kabul nach Mazar, 430 Kilometer. Die erste Hälfte auf Asphalt, der nach drei Jahren schon wieder extrem reparaturbedürftig ist. Ausgeführt im Auftrag internationaler Baufirmen und mit Entwicklungshilfegeldern, die alles andere als nachhaltig angelegt sind. Zu gut deutsch: Pfusch am Bau. Die Geschichte ähnlicher Fälle, in denen ausländische wie afghanische Baufirmen Geld in die eigene Tasche gesteckt haben, um mit dem verbleibenden Rest einen kümmerlichen Teer-Belag aufzutragen, füllt ein paar kritische Berichte, leider viel zu wenige. Erst bei Pul-e-Khumri, wo sich die Strasse gabelt – rechts nach Kunduz, links nach Mazar – wird die Fahrbahn merklich besser. Das Werk japanischer Strassenbau-Ingenieure, erfahre ich.
10 Kilometer vor Mazar, vorbei am zentralen deutschen Militärcamp für den Norden Afghanistans, dessen Bau allein mehr als 50 Millionen Euro verschlungen hat. Deutsche Gastmusiker sind an diesem und in den nächsten zwei Tagen nicht präsent bei den Live-Konzerten, die Teil des Musikfestivals sind. In der Uni von Mazar spielt aber eine US-amerikanische Jazz-Band. Fünfhundert Stundente steppen angeregt mit, keine Frau ist im Publikum. Mit diesen Botschaftern aus Übersee sind ausnahmsweise alle einverstanden. Es zählt die Unterhaltung, nicht die Nationalität. Auf dem Weg zur Uni und zurück lauter spontane Tanzeilagen, Trommelwirbel, Jubel und Gegröhle. Wenn man die Augen schliesst, aus der Ferne lauscht, klingt es ein wenig vertraut wie das rauschende Feiern deutscher Fussballfans nach einer gewonnenen WM-Partie. Hier allerdings kist kein Alkohol im Spiel, jedenfalls nicht sichtbar. Auch Frauen mit ihren Männern und Kindern mischen sich in die Menge, mal in High Heels, mal in für afghansiche Verhältnisse eher engen Jeans. „Mazar war schon immer eine freiere Stadt. Das ist das Selbstverständnis des Nordens, nachdem man den Salang Tunnel verlässt und weiter in die Ebene fährt“, meint Reza.

Es mögen 200-300.000 Menschen in den Strassen von Mazar sein an diesem Abend. „Ein Zeichen, dass wir leben“, meint Ali, „auch ein Zeichen gegen Menschen, die extremer denken als wir und heute abend nicht hier sind.“ Die Menschen, die aus den Autos steigen, haben einen langen Weg in Kauf genommen. Mehrere Gruppen, mit denen ich mich unterhalte, sind aus Kandahar und aus Helmand, was man ihren etwas weniger Freude ausstrahlenden Gesichtern manchmal fast anzusehen meint. 14 Stunden Fahrt und die Hoffnung, dass dort, wo sie herkommen, die Zivilbevölkerung nicht noch weiter aufgerieben wird, zwischen Taliban und westlichem Militär.
An diesem Abend gehört die Strasse, das Leben, wie in den Vorjahren am Neujahrsfest, den Menschen um den Platz an der blauen Moschee. Es bleibt ruhig, kein Anschlag, keine Opfer. Ein Bild vom Norden ganz anders als es unsere Medien zuhause oft vermitteln

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