Mittwoch, 18. März 2009

Das Leid der Anderen




Ein 5-fünfjähriges Mädchen hat dieses Bild gemalt. Es soll den Schrecken an den 30. Jahrestag des russisch-kommunistischen Angriffs auf Herat symbolisieren und die Abwehrschlacht der städtischen Bevölkerung.
Ausgestellt sind dieses und andere Bilder in der Ahmad Shah Massoud Foundation, die benannt ist nach dem von Al Qaida zwei Tage vor 9/11 getöteten Führer des afghanischen Widerstands.
Warum, frage ich mich, werden afghansiche Kinder, die zumindest in diesem Teil Afghanistans in deutlich friedlicheren Verhältnissen aufwachsen als ihre Eltern, überredet solche Bilder zu malen? Erinnerungsarbeit wird hier zur Keule.
Die Liste der Mal- und Fotowettbewerbe ist gross, in denen vor allem internationale Organisationen, allen voran die Vereinten Nationen, aufrufen vermeintlich typische Phänomene von Leid und Katastrophe durch Kindeshand oder Jugendliche auf Papier zu bringen. Was ist mit dem Alltag der Kinder, der hier zwar unter armen Bedingungen abläuft, aber nicht weniger ausgelassen ist als überall auf der Welt?
Selbst gut gemeinte Ansätze bergen Fallstricke: Unlängst verteilten litauische Soldaten der ISAF Fotoapparate an afghanische Kinder und forderten sie auf, ihren Alltag abzubilden. Nach einigen Tagen bekamen die Kinder die Fotoapparate wieder weggenommen. Ihre Fotos wurden nach Litauen geflogen und dort ausgestellt. Wer schmückt sich hier mit wessen Bild?
Die Zahl der afghanischen Fotografen und Fotografinnen ist gross, die mit ihrer Präsenz und Hilfe erst ermöglichen, dass die meisten international mehr oder weniger bekannten Fotografen Zugang zu privaten Räumen und intimen Situationen der afghanischen Gesellschaft bekommen. Den Ruhm und die Honorare kassieren in der Regel die Ausländer. Zugleich verharren die Bilder der meisten dieser ausländischen Fotografen in einer stereotypen Bildsprache. Anforderungen und Erwartungen der heimischen Nachrichtenredaktionen bestimmen meist den Rahmen für das Abbild und den Moment, in dem der Auslöser gedrückt wird.
Was und vor wie fotografiert erscheint mir der Überprüfung wert. Susan Sonntag hat Gedanken dazu in „Das Leid der Anderen betrachten“ formuliert.
„...dennoch haftet dem Akt des Fotografierens etwas Räuberisches an. Menschen fotografieren heisst, ihnen Gewalt antun, indem man sie so sieht, wie sie selbst sich niemals sehen, indem man etwas von ihnen erfährt, was sie selbst niemals erfahren; es verwandelt Menschen in Objekte, die man symbolisch besitzen kann. (…) Wie die Kamera die Sublimierung des Gewehrs ist, so ist das Abfotografieren eines anderen ein sublimierter Mord – ein sanfter, einem traurigen und verängstigten Zeitalter angemessener Mord“. (…) Fotografieren bedeutet, an den Dingen, wie sie nun einmal sind, interessiert zu sein, daran dass ihr Status quo unverändert bleibt. Es bedeutet, im Komplott mit allem zu sein, was ein Objekt gerade interessant macht, auch – wenn das gerade von Interesse ist – mit dem Leid und Unglück eines anderen Menschen.“
Es ist schwer, sich davon freizumachen sobald man mehr sucht als nur das Abbild aus den Nachrichten.

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