Samstag, 3. April 2010

Im Dienst der Wissenschaft

Dieser Tage besuchte ich in Bad Godesberg eine Tagung von wissenschaftlichen Experten zum Thema Afghanistan, mehr oder weniger einschlägige Namen. Vom Tagungsort konnte man übrigens über die andere Rhein-Seite auf den Petersberg blicken. Diese Koinzidenz war interessanterweise keinem der Referenten eine Wert. Im Rückblick gilt die gleichnamige Konferenz nicht als das diplomatische Ruhmesblatt, als das einige Zeit durchging.
Drei Dinge sprangen mir auf der Tagung ins Auge.
1. Die Wissenschaftler legten nicht oder kaum irgendwelche Quellen dar. Eine Journalisten-Tagung zum Thema hätte vermutlich mehr darüber zutage gefördert, wo und wie Jemand im Kontext Afghanistan an seine Informationen kommt. Einige Referate beschäftigten sich u.a. mit Unterschied und Gemeinsamkeiten zwischen afghanischen und pakistanischen Taliban. Ein klares Bild entstand dabei wie auch bei anderen Debattenbeiträgen nicht. Vielen Referenten fehlte es offenbar an Landeskenntnis.
2. Auch bei dieser Veranstaltung war so gut wie kein afghanischer Referent geladen. Ähnliches lässt sich bei zahlreichen Podien und Tagungen beobachten. Geschieht dies, weil man afghanische Kollegen für nicht 'wissenschaftlich' genug hält? Die Frage mag provokativ klingen. Bei Näherem Hinsehen drängt sie sich auf. Afghanische Referenten (und nur sie) halten uns einen Spiegel vor, der ebenso irritierend wie der Sache förderlich ist. Gut möglich, dass der ein oder andere von ihnen gelegentlich abschweift in innenpolitisch-ethnische Abrechnungen. Wichtiger erscheint mir, sich auf die Menschen einzulassen, über deren Land man vorgibt zu forschen. Im Vergleich dazu: Ich kann mir schwer vorstellen, dass unsere Nachbarn die Polen oder Franzosen jahrein jahraus über die Folgen der deutschen Teilung und Wiedervereinigung reden ohne dazu an prominenter Stelle Zeitzeugen aus Deutschland zu laden.
3. Ein neuer Typus von Afghanistan- bzw. Islamwissenschaftler zeichnet sich mit dem Afghanistan-Einsatz ab. Ich nenne ihn einmal den 'Reserve-Orientalisten'. Gerade beim jungen akademischen Nachwuchs finden sich jüngere Akademiker, die ihre Magister- oder Doktorarbeiten an deutschen Universitäten schreiben und zugleich als Offiziere der Reserve für die Bundeswehr in Afghanistan dienen. Sie geben sich selbstbewußt, so als wäre nichts Besonderes dabei, als ausgebildeter Islamwissenschaftler mit dem gepanzerten Fahrzeug einen Teil seines Forschungsgebietes zu durchqueren. Zugleich, und hier wird die Ambivalenz spürbar, dürfte es von Vorteil sein, Soldaten mit Kenntnis der Sprache und Kultur vor Ort zu wissen. Aber doppelte Loyalitäten sind auch in diesem Fall problematisch. Als Beispiel liegen gedruckte Versuche z.B. von Journalisten vor, die als Reserve-Offiziere in Afghanistan einen Blick auf ihre Tätigkeit werfen. Dabei bleibt allerdings mehr im Verborgenen, als zur Aufklärung beigetragen wird. Man darf gespannt sein, wie sich die Promotionen der Islamwissenschaftler im Hindukusch-Einsatz lesen.

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