Montag, 26. April 2010

Die andere Asymmetrie

Zweimal binnen weniger Tage bei zwei Trauerfeiern für in Afghanistan getötete Bundeswehrsoldaten. Eine merkwürdige Asymmetrie: Hier eine Fernseh-Übertragung, an der scheinbar die ganze Nation sich über den Särgen der Soldaten zusammenfindend. Dort Umfragewerte und eine Öffentlichkeit, die immer vehementer und misstrauischer nach Sinn und Zweck des Einsatzes fragt.
Die soldatische Mission ist gefährlich. Kein Zivilist wollte spontan die Rollen tauschen. Fraglos gross ist auch die psychische Belastung, aus der manche mit posttraumatischen Störungen hervorgehen. Der Mut des Einzelnen steht ausser Frage. Zu Fragen ist vielmehr nach politischer Führung und woran diese Kriterien und Auswirkungen militärischen Engagements vor Ort festmacht.
Man tut gut daran, sich an eine eine real existierende Doppelbödigkeit zu gewöhnen, an deren Ende einmal mehr keine einfache Lösung steht. Sie besagt: praktisch ist die Präsenz des NATO-Militärs ebenso stabilisierend wie sie zugleich eine Kausalkette mitauslöst, an deren Ende häufig genug Instabilität steht. Stabilisierend ist sie mit Blick auf Milizenchefs und warlords, die mehr oder weniger eingebunden sind in ein z.T. fragwürdiges Machtgefüge. Destabilisierend – dies fällt in der Debatte weitgehend unter den Tisch – ist sie angesichts der Folgen militärischer Präsenz.
Aktuell warnt z.B. eine Reihe renommierter Hilfsorganisationen mit Verankerung in der EU-Politik und mit bis zu 50-jähriger Erfahrung in Afghanistan in einem aktuellen Schreiben:
„Aid provided by or through the military is often much more costly than services and programs provided through civilian channels. The quick-impact approach adopted by military aid projects also diverts benefits to selected groups and can create unrealistic expectations and may cause more harm than good.“
Britische und kanadische Hilfsorganisationen gehören zu den Initiatoren. Ihre Mitarbeiter erfahren als zivile Helfer seit geraumer Zeit u.a. im Süden und Osten Folgen und Begleiterscheinungen von Kämpfen „Military forces“, heisst es in dem Schreiben, „cannot and should not be expected by politicians to take on responsibilities for which they are ill-equipped due to their lack of development expertise and local knowledge.“
Ulrich Ladurner, Kollege der ZEIT und einer jener, die sich regelmäßig ausserhalb von Militärlagern bewegen, schreibt angesichts der Trauerfeiern: " Wenn schon Pathos, dann sollte Angela Merkel oder einer ihrer Minister sich auch vor dem Grab eines zivilen Aufbauhelfers verneigen. (...) Die Regierung sagt immer wieder, in Afghanistan handele es sich um einen zivilmilitärischen Einsatz mit dem Schwerpunkt auf »zivil« “.
Auch die Bundeswehr, so ist jetzt zu lesen, bemüht sich mehr denn je um zivile Experten für Afghanistan. Seit Jahren hat man massive Probleme, geeignetes Personal mit landeskundlichen Kenntnissen zu finden. Nun treten die Streitkräfte werbend nach Aussen auf.
Die interkulturellen Berater, die die Bundeswehr jetzt vermehrt sucht, so heisst es, könnten „beispielsweise Ingenieure, Entwicklungshelfer oder Journalisten sein, die schon einige Jahre am Hindukusch gelebt haben“. Es geht darum, kulturelle Konflikte zu verhindern und Missverständnisse auszuräumen. Ein Soldat könne fahren, funken und schießen. Die Afghanen erreiche man damit aber nicht.
Deutlicher könnte ein Eingeständnis des Scheiterns kaum ausfallen. Wie steht es also tatsächlich um die guten Kontakte zu einheimischen Machthabern und Ältesten, derer sich die Bundeswehr und ihre NATO-Partner rühmen? Wieso gelingt es nicht, Fachleute mit interkulturellen Kenntnissen vor Ort zu gewinnen? Welche Gründe gibt es für Anwerbe-Schwierigkeiten? Was bedeutet es für den Führungsanspruch des Militärs, wenn Zivilisten in ihren Reihen die eigentliche Feinmechanik (im übertragenen Sinn) leisten sollen?
Problematisch erscheint – entgegen offizieller Beteuerungen – auch der Strategie-Mix aus 'Herzen und Köpfe' gewinnen bei gleichzeitiger Aufstandsbekämmpfung bzw. Anti-Terrorbekämpfung, mit dem die militärische Führung den Zeitnöten der politischen Führung im Westen versucht zu entsprechen. Hoher Zeitdruck gepaart mit hohen Erwartungen, in einem Land in dem die Aufständischen über die Zeit verfügen, beinhaltet die bekannten Risiken sowie neue unbekannte.

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