Montag, 16. Februar 2009

Afghanische Wechselspiele


Vor 20 Jahren ist die russische Armee aus Afghanistan abgezogen. Ein offizieller Feiertag, letzten Samstag, der in Afghanistan mit einer Mischung aus Genugtuung, Realismus und Zynismus begangen wird. “Damals waren es die Russen, heute sind es die Amerikaner“, sagt Sharif. Der 30-jährige, der für eine internationale Hilfsorganisation arbeitet, war 1989 10 Jahre alt. „Die Russen bezogen meist ausserhalb des Stadkerns Stellung“, erinnert er sich, „ein Sicherheitscordon umgab Kabul. Es war klar wer Freund und wer Feind war. Heute trifft man in den Zentren der Städte auf Regierungstruppen, ausländisches Militär, private Sicherheitsdienste und Taliban“, gibt er die unsichere Gemengelage wider.
Sharif macht sich keine Illusionen, dass auf absehbare Zeit ausländische Truppen in Afghanistan sein werden. „Die Anzahl der Jahre, die seit 2001 vergangen sind, multipliziert mit der Anzahl der EU- und NATO-Staaten“, scherzt er, „solange kann das dauern“. Die Briten, deutet er auf das Empire, hätten es früh verstanden das ethnische Gefüge Afghanistans für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Sharif hat mehrere Jahre für westliche NGOs, Ärzte ohne Grenzen und die Welthungerhilfe gearbeitet. Als die Taliban 2001 besiegt waren, seien viele ihrer Kämpfer im Bezirk Bala Murghab in der nördlichen Provinz Badghis bereit gewesen ihre Waffen abzugeben. Aber monatelang gab es keine Macht, keine Autorität, die die Gewehre eingesammelt habe. Tatsächlich stehen mehrere Entwaffnungsprogramme der vergangenen Jahre für die Ineffizienz auf afghanischer wie internationaler Seite. Die Folgen sind bekannt.
In Herat hat kürzlich ein neues Museum eröffnet, das das Andenken der Mujahedin im Kampf gegen die russischen Besatzer pflegt. (Foto) „Ich glaube nicht, dass die afghanischen Mujahedin die Russen besiegt haben“, wiederspricht Sharif dem gängigen Bild seiner Landsleute, „sie waren bestenfalls Platzhalter in einem Stellvertreterkrieg.“ Olivier Roy hat in einer hervorragenden Studie der Adelphi-Papers schon Anfang der 90er Jahre beschrieben, wie sich die Russen teilweise selbst besiegt haben durch eine Anzahl militärischer Fehler. Der Einmarsch in Kabul erfolgte nach Muster der Invasion 1968 in Prag, schreibt Roy, als eines von mehreren Zeichen taktischer Überheblichkeit. Parallelen, die ins Heute weisen, scheinen nicht zufällig.
Barak Obama war damals noch ein Kind. Erwartet wird von ihm eine Generalüberholung der us-amerikanischen Afghanistan-Strategie. Weite Teile der afghanischen Öffentlichkeit sind allerdings skeptisch. Das Afghan Students Movement, ein unabhängiger Zusammenschluss von Hochschulabsolventen, darunter Stipendiaten an europäischen und US-amerikanischen Hochschulen, haben einen offenen Brief an Präsident Obama formuliert. Der Schlüssel des Problems liegt ihrer Ansicht nach nicht in einer Stärkung der militärischen Präsenz in Afghanistan.
In der Berichterstattung über Afghanistan fällt auf: es wird viel über Afghanistan diskutiert, wenig mit Afghanen. Talk-Runden im deutschen Fernsehen oder bei der jüngsten Anhörung im deutschen Bundestag zur deutschen Rolle beim Polizei-Aufbau finden ohne Beteiligung von Afghanen statt. Das Feuilleton tut sich schwer afghanischen Intellektuellen eine Stimme zu verleihen. Sofern Kultur aus Afghanistan stattfindet wird sie nicht selten instrumentalisiert.

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