Donnerstag, 9. April 2009
Obama, Den Haag, Nato-Gipfel: welche Strategie ?
Obamas Afghanistan-Pläne, die Haager Afghanistan-Konferenz, Afghanistan auf dem NATO-Gipfel: Die Berichterstattung darüber in den deutschen Medien bestärkt mich in der Ansicht, dass man Journalisten in Sachen Afghanistan immer noch ein A für ein O vormachen kann.
Ein Beispiel (Zitat): “Die NATO soll auf allen Ebenen aufrüsten. Mehr Kampf, mehr Wiederaufbau, mehr Diplomatie. Die Alliierten stimmten ihm zu. Sie vereinbarten in Straßburg auch eine neue Afghanistan-Strategie mit mehr ziviler Hilfe, einigen Millionen hundert Euro und ein paar tausend zusätzlichen Kräften. Für die zivile Hilfe will die NATO 370 Millionen Euro mehr ausgeben“.
Ob hier der Wortlaut einer NATO-Pressemeldung übernommen worden ist oder der Autor selbst die Dinge vermischt bleibt unklar. Inwiefern, die Frage drängt sich auf, kann ein militärisches Bündnis zivile Hilfe leisten? Generell und bezogen auf Afghanistan insbesondere? Eine kontroverse Debatte hierüber wäre umso dringlicher, da Hilfsgelder und Mittel, die zivilen Ursprungs sind - u.a. EU-Gelder - zunehmend durch NATO-Militär in Afghanistan verplant und ausgegeben werden. Sogar betont christlich-geprägte Organisationen scheuen vor diesem Hintergrund nicht mehr davor zurück, Gelder des Militärs anzunehmen, um Aufbau in Afghanistan zu betreiben.
Viele Hilfsorganisationen stehen mehr denn je vor einer Grundsatzfrage: wie halten wir es mit dem Militär?
Den zunehmenden Druck auf die humanitären Akteure veranschaulicht ein aktueller Bericht, der von einem Dutzend international angesehener Hilfsorganisationen formuliert ist (und jene Kritikpunkte erhärtet, die der Zusammenschluss deutscher Hilfsorganisationen Venro unlängst formuliert hat). Deutlicher denn je werden darin Fehler angesprochen, die das Militär irrigerweise zum Anwalt westlicher Aufbau-Prioritäten in Afghanistan machen. Wenn ein Strategie-Wechsel ernst gemeint ist, dann muss die Zukunft der zivil-militärischen Aufbau-Teams, von denen es rund 40 landesweit gibt, rasch überarbeitet werden. In der derzeitigen Form haben scheinen sie keine Existenzberechtigung mehr zu haben.
(Zitat) ”PRT engagement in development activities is neither effective nor sustainable for the following reasons: (1) Being military-led, PRTs are an inherently unsuitable means to promote development. (2) Given the particular cultural and social mores of Afghanistan, and mistrust of foreign forces, Western military-led institutions are unable to achieve a sufficient level of local engagement and ownership necessary for effective long-term development. (3) PRTs divert funds away from Afghan civilian development processes and institutions, whose weaknesses ultimately prolong the military presence: annual funding available to US PRT commanders exceeds the Afghan national budget for health and education. (4) As highly variable and intrinsically unsustainable institutions, PRTs are an impediment to the establishment of a coherent and consistent national development framework, and have resulted in major geographical disparities in the distribution of aid. (5) The PRTs’ hearts and minds approach to assistance, drawn from counter-insurgency doctrine, is not only at odds with accepted principles of development, but, given that it is
(...) Civil-military distinction, which is essential for the security of humanitarian actors and their ability to deliver assistance to people in need. Yet there has been an increasing blurring of this distinction, which is at least partly attributable to the conduct of IMF. In contravention of the Guidelines, some military actors engage in relief activities for the purposes of force protection; and certain ISAF contingents, such as the US and France, are failing to identify themselves as combatants by the continued use of unmarked, white vehicles, which are conventionally used by the UN and aid agencies. The expansion of PRT activities and the use of heavily protected contractors to implement reconstruction projects have also contributed to a blurring of the civil-military distinction. Ultimately, these practices have contributed to a diminution in the perceived independence of NGOs, increased the risk for aid workers, and reduced the areas in which NGOs can safely operate. Currently, humanitarian agencies are unable to access over a third of the country, depriving substantial parts of the population of assistance, and underscoring the urgency of greater efforts to preserve the civil-military distinction. The ‘integrated approach’ to development and stabilisation, as promoted by UNAMA and ISAF, could pose additional risks to NGO independence and security. Further, it is regrettable that the UN has still not fulfilled its important responsibility to carry out trainings on the Afghanistan Civil-Military Guidelines."
Mögliche Lösungsansätze überzeugen auch in diesem Papier nicht wirklich.
Ein ernst gemeinter Strategie-Wechsel hätte z.B. beim NATO-Gipfel auch einen Teil der Hilfsorganisationen mit an den Tisch geholt.
Dies betrifft wohlgemerkt die PRTs. Das NATO-Militär, das nicht im ‚zivilen Auftrag’ unterwegs ist provoziert die eigentlichen Querschläger und zivilen Opfer, wobei nach meiner Beobachtung unklar ist, ob die NATO oder die Taliban für mehr Tote verantwortlich sind.
US-Regierung wie Europäer haben ausserdem Ziele über die bewaffneten Kräfte für afghansiche Polizei und Armee in die Welt gesetzt, die ebenso ambitioniert wie leichtfertig erscheinen. Damit setzt man sich selbst und die afghanische Regierung unnötig unter Druck. Bis 2011 sind über 240-Tausend Armee- und Polizeiangehörige nach bisherigem Ausbildungstempo nicht zu schaffen.
Die Zahl der Deserteure ist nach wie vor hoch, weil die Gehälter für so eine riskante Arbeit viel zu niedrig sind. Viele Einheiten werden mit Waffen ausgestattet, die weniger modern sind als jene, mit denen Taliban und andere Aufständische kämpfen. In einem jüngsten Dokumentarfilm über die Ausbildung von Soldaten der afghanischen Armee (Standing up) trainieren diese noch mit Gewehren die eine halbes Jahrhundert alt sind und bei denen ein manueller Rückzugs-Kolben bedient wird zum Nachladen. Die afghanischen Rekruten und Offiziere bekommen in mehr als einem Fall veraltetet Waffengenerationen in die Hand.
P.S.: “Wir dürfen nichts unter den Teppich kehren“ (Angela Merkel am Rand des NATO-Gipfels), „…solange bis die Afghanen sich selber schützen können.“ (Ruprecht Polenz, CDU, Experte für Aussenpolitik, aus gleichem Anlass)
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