Mittwoch, 9. September 2009
Reporter-Tod: ein Journalisten-Leben zweiter Klasse ?
In Afghanistan ist ein einheimischer Reporter ums Leben gekommen. Bislang hat das in Deutschland und im Westen wenige interessiert. Das könnte diesmal anders sein. Sultan Mohammad Munadi (auf dem Foto links) hat nicht nur für die New York Times zu den zahlreichen Opfern des von einem deutschen Kommandeur befehligten Luftangriffs in Kundus recherchiert. Er hat auch bis zuletzt in Deutschland studiert.
Die Umstände seines Todes sind noch unklar. Möglicherweise könnten sie eine eigene Untersuchung nach sich ziehen. Das fordern jedenfalls einige seiner afghanischen Journalisten-Kollegen. Ihr Unmut scheint verständlich. Einmal mehr ist ein westlicher Journalist frei gekommen aus Taliban-Haft. Sein afghanischer Kollege dagegen bezahlt den Reporter-Einsatz mit dem Leben.
Gordon Brown spricht von einer ‚heldenhaften’ Befreiungsmission englischer Militärs, die aber offensichtlich in einem halben Fiasko endete. Afghanische Medienvertreter stellen die Frage, ob auch in diesem Fall mangelnde Verhältnismäßigkeit vorlag. „It makes it seem as if the Afghans are not worth as much as the foreigners are worth”. Auch wenn diese Äußerung eines engen Freundes des Verstorbenen von spontanen Emotionen geprägt ist, ganz von der Hand zu weisen lässt es sich nicht: afghanische Journalisten geniessen in der Regel einen schlechteren Schutz. Das gilt für ihre Ausrüstung genauso wie für ihre Lebensversicherung. Selbst die grossen Agentur-Büros in Kabul behandeln ihre jahrelangen afghanischen Mitarbeiter, denen sie viele Recherchen und preisgekrönte Bild-Aufnahmen zu verdanken haben in diesem Punkt als Reporter (Menschen?) zweiter Klasse.
Dies war und ist deutschen und internationalen Medien bislang kein nachhaltiges Ausrufungszeichen wert gewesen. Und diesmal? Im Mittelpunkt zahlreicher Artikel in deutschen Medien über die Befreiungsaktion stehen Glanz und Glück des britischen New York Times-Reporters, nicht sein tragisch ums Leben gekommener afghanischer Kollege. Munadis Tod mutiert, zumindest in einigen Berichten, zu einer Randgeschichte. Dies hat, ob beabsichtigt oder nicht, durchaus Symbol-Charakter. Es entspricht den immer bohrenden Fragen eines nicht geringen Teils der afghanischen Bevölkerung, spiegelbildlich zu dem offensichtlich unverhältnismäßigen Luftangriff vom vergangenen Freitag.
Der getötete afghanische New York Times Reporter studierte in Deutschland
Tagesspiegel-Artikel
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