Sonntag, 15. März 2009
Kein Deutsch mehr in Herat
Seit drei Jahren kann man Deutsch als Fremdsprache an der Universität von Herat (Bild) studieren. Das hat jetzt ein Ende, erzählt mir Amanullah einer der engagiertesten Studenten in fliessendem Deutsch. Ab kommender Woche, wenn nach dem hiesigen Neujahrsfest die Universität wieder startet, werde der gesamte Unterricht nach Kabul verlegt und die Studenten gleich mit dazu. Ingesamt rund 20 Personen, darunter 7 Frauen.
Amanullah hatte noch im Sommer vergangenen Jahres mit dem deutschen Aussenminister diskutiert, als der Herat zu Besuch war. „Es war eine sehr interessante Begegnung“, erinnert er sich, „Herr Steinmeier hat sich erkundigt, warum wir Deutsch studieren und wir haben ihn mit Fragen überhäuft, ob und wann es noch mehr Stipendien für Deutschland geben werde. Dazu, hat er nur gemeint, könne er Nichts sagen.“
Hat Steinmeier damals möglicherweise schon gewusst, dass der Traum dieser jungen Menschen Deutsch weiterzustudieren zumindest in Herat vorerst ausgeträumt ist?
Bislang habe es jedes Jahr vier Stipendien zum Studium in Deutschland gegeben, so Amanullah. „Ich habe mich seinerzeit bewusst für Deutsch als Studienfach entschieden. Hier gab es damals noch ein deutsches PRT (Provincial Reconstruction Team) und damit auch die Aussicht auf eine Beschäftigung als Übersetzer. Dann ging das deutsche PRT und die wenig zuverlässigen Italiener kamen. Später schloss auch das deutsche Konsulat, das sinnvoll war, damit Stipendiaten wie Entwicklungshelfer nicht immer nach Kabul reisen mussten. Und nun macht auch noch der mühsam aufgebaute Fachbereich Deutsch zu. Ich finde das traurig.“
Künftig sind Mazar und der Norden Afghanistans die Brückenköpfe der Deutschen am Hindukush. Deutsche Helfer erzählen von politischem Druck, der auf ihre Organisationen ausgeübt worden sei, damit sie ihre Geschäfte wie das Militär in den Norden des Landes verlegten. Dabei ist klar ersichtlich, dass vor allem langfristiges Engagement an ein und demselben Ort sich auszahlt.
Zurück zur Herater Uni. Engpässe bei den Dozenten scheinen ein Grund für den Umzug nach Kabul zu sein. Der DAAD (Deutsche Akademische Austauschdienst) konnte zuletzt weder erfolgreich einen Lektor nach Herat vermitteln (die Sicherheitslage dürfte dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben), noch gelang es der Fachaufsicht in Kabul offenbar, motivierte und ausreichend bezahlte afghanische Dozenten nach Herat zu schicken.
Oder steckt Absicht dahinter? Amanullah spekuliert: Der Besuch von Steinmeier habe die Kabuler Fachaufsicht und Dozentenschaft möglicherweise schwer neidisch gemacht. „Der Fachbereich Deutsch in Kabul ist über 40 Jahre alt, der in Herat gerade einmal drei Jahre. In der Hauptstadt habe man Steinmeiers Besuch in der Provinz möglicherweise als eine persönliche Demütigung empfunden. Jetzt rächte sich die Kabuler Uni.“
Zurück bleibt ein Versprechen, von dem Amanullah und seine Kommilitonen den Eindruck haben, dass es nicht richt eingehalten worden ist.
Als die Bundesrepublik 2006 in Herat den Fachbereich einrichtete tat sie das mit der Absicht, junge talentierte Männer und Frauen für die Sache zu gewinnen. Die 60er und 70er Jahre stehen Pate. Die deutsch-sprachigen Minister im Kabinett von Präsident Karsai sind Absolventen deutscher Hochschulen. An diese Zeit anzuknüpfen trotz aller Schwierigkeiten ist erklärtes Ziel der Entwicklungshilfe. Nun kommt es anders als geplant. In der Rückschau erscheint das Gespräch Steinmeiers mit den Herater Studenten als ein Treffen, das Hoffnungen geweckt hat, die erst einmal nicht erfüllt werden. Zwar wird weiterhin Deutsch an der Universität Kabul unterrichtet. Auch für Herat sollen sobald Dozenten gefunden sein, damit der Fachbereich nicht ein jähes Ende findet. Einstweilen bleibt eine hochmotivierte Studentenschaft enttäuscht zurück. „Die letzte deutsche Lektorin ist Mitte vergangenen Jahres gegangen. Seitdem gibt es für uns im Grunde nur Beschäftigungstherapie. Drei Stunden Deutsch pro Tag stehen nur theoretisch auf dem Lehrplan, es gibt keine vernünftige Lehrkraft“, meint Amanullah.
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