Einreise nach Afghanistan über die iranische Grenze bei Eslame Qala. Nach zehn Minuten im Freien knirscht es zwischen den Zähnen. Der feine Sand und stürmische Böen dringen in alle Ritzen. 'Zero Point' nennen einheimische Entwicklungshelfer die Grenze, weil von hier aus ein Hindernislauf für die afghanischen Rückkehrer aus Iran beginnt, legale wie illegale. Iraner und Afghanen verbindet zwar die gleiche Sprache, ansonsten ist das Gefälle erdrückend: politisch, gesellschaftlich, kulturell. Im Iran ist das Tragen des Kopftuchs zwar Gesetz. Trotzdem pflegen Frauen in Tehran oder Mashad einen vergleichsweise selbstbewußten Umgang mit Männern. Das endet tatsächlich an der Grenze. Stärker noch als in Afghanistan sind blonde Haare und helle Haut in Persien ein Schönheitsideal. Im Westen bemühen wir uns dagegen unter künstlichem Sonnenlicht die Bräune asiatischer Völker nachzuahmen. Wie überhaupt prima vista immer am Begehrenswertesten scheint, was man nicht besitzt.
Afghanische Migranten sind im Iran Menschen zweiter Klasse. Trotzdem gehen sie zu Tausenden über die Grenze, um Arbeit und ein besseres, ein sichereres Leben zu suchen. Geschätze 3 Millionen Afghanen leben im Iran. Gut eine Million davon ist registriert und besitzt Papiere, ihnen droht meist nicht unmittelbar die Abschiebung. Migranten ohne Papiere sind politische Verschiebemasse. Iran entledigt sich manchmal täglich Tausender sogenannter Illegaler. Für die Zeit nach dem persischen Neujahr, Mitte März, wird erneut mit einem Strom von Rückkehrern nach Afghanistan gerechnet. Nota bene: UNHCR, das Flüchtlingshilfswerk, versorgt nur afghanische Familien und Rückkehrer die Ausweispapiere haben mit einem kleinen Handgeld und einer Tasche voll Essen. Die Masse der oft Mitellosen Heimkehrer ohne Papiere fallen durch das Raster. Kaum eine Hilfsorganisation nimmt sich ihrer an. Hier erweist sich die Scheinheiligkeit des humanitären Anspruchs. UNHCR zieht es vor diplomatisch sauber zu bleiben.
An der Grenze warten Kinder und Jugendliche (Bild) mit ihren Schubkarren um die Koffer zu transportieren. Deutschland hat hier auf afghanischer Seite für mehrere Millionen Euro einen Kreisverkehr gebaut, der die Ein- und Ausreise übersichtlicher machen soll. Nach über einem halben Jahr wird das mit Stacheldrahtzaun begrenzte Teilstück immer noch nicht genutzt. Bei uns ein Fall für den Rechnungshof.
Gelegentlich sieht man amerikanisches Militär auf der afghnischen Seite der Grenze. Eine US-Soldatin mit offenem Haar läuft gestikulierend vor einer Gruppe bärtiger Offiziere der afghanischen Armee her. Fotografieren ist verboten. Offenbar Teil eines Trainingsprogramms. Unmittelbar dahinter liegt ein US-Militärcamp über das man schwer gesicherte Informationen bekommt. Es heisst, die Strasse zum Camp sei bewusst breit angelegt, damit sie zur Not als Landepiste für Flugzeuge tauge. Die vereinzelten US-Soldaten laufen hier nur wenige Meter vom Iran entfernt, mit dem es seit jetzt 30 Jahren keine offiziellen diplomatischen Beziehungen gibt. Von einem Tauwetter ist hier noch Nichts zu spüren.
Auf dem Weg nach Herat rechnet der afghanische Fahrer vor: „ein fremder Soldat in Afghanistan kostet umgerechnet 70 US-Dollar pro Tag. Damit können sie hier am Tag mehrere Familien ernähren.“ Was er von Obamas neuer Afghanistan-Politik erwarte?: Investitionen in Landwirtschaft und den Bau von Betrieben, damit endlich das Heer der Arbeitslosen weniger werde. (Die hohe Arbeitslosigkeit ist einer der Gründe dafür, dass junge Desperados anfällig sind für Lockungen der Taliban.) Und geplante 20.000 Soldaten mehr? „Nein“, winkt er ab, „das bringt nichts." Die Mitfahrer auf der Hinterbank nicken einmütig.
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