Sonntag, 6. Juni 2010

Give peace a chance ?












Die Legitimität von Präsident Karsai ist ein Stück weit gefestigt nach der dreitägigen peace jirga, wobei auch nach Verabschiedung der 16-Punkte-Erklärung unklar ist, wann und wie jene Taliban, mit denen irgendwann ernsthaft verhandelt werden soll, wirklich mit am Tisch sitzen und in Bedingungen einstimmen, die ihr tatsächliches Kommen ermöglichen könnten. Zumal Karsai einem Abzug internationaler Truppen als Vorbedingung für Verhandlungen eine Absage erteilt hat, was auch sein aktuelles Verhältnis zur Obama/McChrystal-Administration kennzeichnet.

Es wurde bemerkenswert viel (mit Nachrichtenwert) getwittert aus dem grossen Bierzelt der Jirga, offenbar eine Reaktion auf Versuche der Organisatoren den (inter)nationalen Medien Hindernisse in den Weg zu legen. Bekannte Polit-Grössen und warlords, die hier z.T. aus Proporz-Gründen die Führung der Veranstaltung übertragen bekamen, sehen in unabhängigen Medien unverändert eine Bedrohung, fast so als hielten sie die ihnen seit der letzten Wahl verbriefte Immunität für mutmaßliche Kriegsverbrechen für umkehrbar.

Die Urteile kritischer (afghanischer) Beobachter im und ausserhalb des Jirga-Zeltes sagen eine weitere Entfremdung der Karsai-Regierung sowie der regierenden politischen Klasse zur Bevölkerung voraus. Kein gutes Zeichen für kommende Gesprächsrunden, auch wenn es gelungen ist mit dem tadschikischen Jamiat-Führer Rabbani als Vorsitzendem der jirga den ethnischen Bruch weiter zu vertiefen. Keine Frau unter den 1.600 Delegierten hatte Gelegenheit in den 3 Tagen auf der Haupttribüne das Wort zu ergreifen, erfahren wir. Aus den 28 Gesprächs-Foren wird dagegen von z.T. Lebendigen Debatten berichtet. Wie so häufig ein wiedersprüchliches Panorama von Eindrücken, die auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheinen.

Im Schatten einer militärisch-politischen Doppel-Taktik gegen Taliban und andere Gruppen von Aufständischen wird in den Medien wenig Aufhebens von der zur Zeit wohl strategisch wichtigesten Waffe des US-Militärs wie seiner Geheimdienste gemacht. Tatsächlich scheint sich 2010 zum Jahr der Drohne zu entwickeln.

Weniger im afghanischen Herzland als vor allem in Grenzstreifen zu Pakistan und den paschtunischen Stammesgebieten auf pakistanischer Seite setzt die Obama-Regierung Drohnen in immer grösserer Zahl ein, wobei die menschlichen Ziele nicht immer eindeutig bekannt sind sondern der Angriff bestimmten 'Mustern' (patterns of life) folgt. Der Anteil ziviler Opfer ist erheblich. Peter Bergen und Katherine Tiedeman haben mit Hilfe der New America Foundation und einschlägiger Medien eine aktuelle Daten-Basis der US-Dronen-Einsätze versucht zu rekonstruieren.

Experten zufolge ist damit zu rechnen, dass Drohnen auch in Afghanistan vermehrt zur Anwendung kommen. Vor dem Hintergrund aktueller Abzugs-Debatten wie sie in mehreren Ländern geführt werden, bergeb die in der Regel aus den USA oder Europa ferngesteuerten Geschosse eine strategische Verheissung für führende Militärs und Politiker.

Die juristische Rechtfertigung der US-Administration folgt, wie der Bericht zeigt, einer politischen Argumentationslinie, bei der deutlich wird, dass die Politik von US-Präsident (und Friedensnobelpreisträger) Obama in der Kontinuität seines Vorgängers liegt und weniger in einem Paradigmen-Wechsel.
Amerikanischen Medienberichten zufolge sind die Einsätze von US-Spezialkräften gegen Al Qaida und andere Gruppen unter Präsident Obama wesentlich ausgeweitet worden.

Neben der hohen Rate an zivilen Opfern stehen auch juritische Fragezeichen des Einsatzes von Drohnen zunehmend im Fokus der Debatte. Der aktuelle Bericht des UN-Rapporteurs Philip Alston fordert vor allem eine Ende illegaler Praktiken durch die CIA auf diesem Feld. Stichworte, die auch das Nobelpreis-Kommittee mit Interesse registrieren wird.

Lesenswert auch die Artikel in Lettre International und Le Monde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen