Freitag, 11. Juni 2010

Operation Gold: Endlich unter Gleichen ?








Das sogenannte 'baktrische Gold', die grosse Schau der archäologischen Schätze aus dem Nationalmuseum in Kabul macht seit heute Station in Bonn. 'Nicht weil die Bundesregierung die Ausstellung zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland haben will', beugen die Ausstellungsmacher möglichen Mutmaßungen vor.

Es stimmt: die Exponate haben das Zeug die aktuelle Debatte zu beeinflussen. Allen voran an jenem Bild zu rütteln, das Afghanistan und seine Menschen auf ein hilfsabhängiges Volk von Empfänger moderner Zivilisation reduziert. Die historische Perspektive in jenes eines klassischen Afghanistan als Teil der modernen, der (damaligen) globalen Welt. Die sinnliche Flußgöttin aus der indischen Mythologie (Bild) mit ihren üppigen Kurven hat allemal das Zeug ausgemachte Topoi zu konterkarieren, lächerlich zu machen. Die Elfenbein-Figur stammt aus Begram und ist vom Ort her identisch mit dem heutigen Bagram, dem Haupt-Militärstützpunkt der USA in Afghanistan, die dort unverändert Hunderte mutmaßlicher Terror-Verdächtiger ohne ordentliches juristisches Verfahren festhalten. Ein Kontrast nicht nur in Zeit und Raum sondern auch in Interpretationsmustern von Zivilisation.

Baktrien (Balkh), sein Gold und Afghanistan als Teil der klassischen Welt, das Alexander und andere Eroberer beeinflusst haben, ebenso wie die dortigen Kulturen unsere europäischen Vorfahren. Diese kleine aber wichtige Andeutung fehlte unlängst noch in den Texttafeln der Ausstellung über das Khushan-Reich, das ebenfalls die Bonner Ausstellungshalle vor jahresfrist präsentierte.

„Wir sind nach 30 Jahren Krieg jetzt in der Normalität angekommen“, sagt ein stolzer afghanischer Vize-Kulturminister. Afghanistan bestehe nicht nur aus Krieg, Raketen und Frauen, die Burka tragen. Relative Normalität, trotz allem: der Kunstraub bleibt eine Disziplin der Korruption und ist besonders im mittel-asiatischen Raum virulent. Insofern ist auch die illegalen Grabungen und der andauernde Raub von Kunstschätzen in Afghanistan Teil der aktuellen Problematik von Sicherheit, fehlendem Rechtsstaat und der viel zitierten good governance.
Natürlich ist damit ebenso fraglich wie wünschenswert, ob und wann die geretteten Schätze und das baktrische Gold eimal in Kabul selbst zu sehen sein werden. Kein Volk kommt im Medienzeitalter auf Dauer ohne die visuelle Vergewisserung über die eigene Kultur und Wurzeln aus. Angesichts dessen hat der Direktor Direktor des Kabuler Nationalmuseums erstaunlich deutlich ausgesprochen, dass mit Priorität erst einmal alle Ausstellugnswünsche im Ausland bedient werden. Das kann Jahre dauern.
"Zur Zeit bräuchte man 1.000 Sicherheitkräfte um den Ort zu beschützen der diese Ausstellung in Kabul beherbergen würde", meint ein Afghane aus dem Kultur-Millieu.
Möglich auch, dass der Altruismus begrenzt ist. Es geht um Versicherungssummen in Millionen-Höhe, um einige Privilegien auch. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die afghanischen Repräsentanten bei ihren Auftritten im Westen einerseits der Rückbesinnung auf die eigene Kultur das Wort reden. Andererseits geben sie sich merklich bedeckt was den Drang angeht den Gold-Schatz wieder nach Hause zu holen.
Staatliche und private Interessen dürften auch mit Blick auf die 'neuen Goldreserven' Afghanistans in einen Wettstreit treten: angesichts der vermuteten Rohstoffreserven wird in einer neuen Schätzung von einer Schätzung von einem Wert unter der Erde lagernder Mineralia im Gegenwert von mehreren Milliarden Dollar ausgegangen. Kaum überrraschend haben US-Offizielle diesen Lockruf nach den Vorräten abgegeben. Man darf gespannt sein, welche der global players auf diesem Feld sich den Markt Begehrlichkeiten entwickeln werden. Das 'great game' findet, die Prognose fällt nicht schwer, auch hier eine Fortsetzung.

Bemerkenswert ist ein weisser Fleck in der Berichterstattung des hiesigen Feuilletons:
so werden Zerstörung und Raub der historischen Artefakte überwiegend wenn nicht ausschliesslich den Taliban zugeschrieben. Allerdings, so betonen die afghanischen
Schutzpatrone der Ausstellung, die die Exponate Ende der 80er Jahre mit grossem Mut und Einsatz gerettet haben, seien 70 Prozent der Preziosen aus dem Kabuler Nationalmuseum in den Jahren 1992-94 verschwunden. Wer sich nicht die Mühe macht, die Jahre des Bürgerkrieges von denen der mordenden Koran-Schüler zu unterscheiden, der blendet einen wesentlichen Zugang zum Verständnis des heutigen Afghanistans und damit seiner Geschichte aus.

Sonntag, 6. Juni 2010

Give peace a chance ?












Die Legitimität von Präsident Karsai ist ein Stück weit gefestigt nach der dreitägigen peace jirga, wobei auch nach Verabschiedung der 16-Punkte-Erklärung unklar ist, wann und wie jene Taliban, mit denen irgendwann ernsthaft verhandelt werden soll, wirklich mit am Tisch sitzen und in Bedingungen einstimmen, die ihr tatsächliches Kommen ermöglichen könnten. Zumal Karsai einem Abzug internationaler Truppen als Vorbedingung für Verhandlungen eine Absage erteilt hat, was auch sein aktuelles Verhältnis zur Obama/McChrystal-Administration kennzeichnet.

Es wurde bemerkenswert viel (mit Nachrichtenwert) getwittert aus dem grossen Bierzelt der Jirga, offenbar eine Reaktion auf Versuche der Organisatoren den (inter)nationalen Medien Hindernisse in den Weg zu legen. Bekannte Polit-Grössen und warlords, die hier z.T. aus Proporz-Gründen die Führung der Veranstaltung übertragen bekamen, sehen in unabhängigen Medien unverändert eine Bedrohung, fast so als hielten sie die ihnen seit der letzten Wahl verbriefte Immunität für mutmaßliche Kriegsverbrechen für umkehrbar.

Die Urteile kritischer (afghanischer) Beobachter im und ausserhalb des Jirga-Zeltes sagen eine weitere Entfremdung der Karsai-Regierung sowie der regierenden politischen Klasse zur Bevölkerung voraus. Kein gutes Zeichen für kommende Gesprächsrunden, auch wenn es gelungen ist mit dem tadschikischen Jamiat-Führer Rabbani als Vorsitzendem der jirga den ethnischen Bruch weiter zu vertiefen. Keine Frau unter den 1.600 Delegierten hatte Gelegenheit in den 3 Tagen auf der Haupttribüne das Wort zu ergreifen, erfahren wir. Aus den 28 Gesprächs-Foren wird dagegen von z.T. Lebendigen Debatten berichtet. Wie so häufig ein wiedersprüchliches Panorama von Eindrücken, die auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheinen.

Im Schatten einer militärisch-politischen Doppel-Taktik gegen Taliban und andere Gruppen von Aufständischen wird in den Medien wenig Aufhebens von der zur Zeit wohl strategisch wichtigesten Waffe des US-Militärs wie seiner Geheimdienste gemacht. Tatsächlich scheint sich 2010 zum Jahr der Drohne zu entwickeln.

Weniger im afghanischen Herzland als vor allem in Grenzstreifen zu Pakistan und den paschtunischen Stammesgebieten auf pakistanischer Seite setzt die Obama-Regierung Drohnen in immer grösserer Zahl ein, wobei die menschlichen Ziele nicht immer eindeutig bekannt sind sondern der Angriff bestimmten 'Mustern' (patterns of life) folgt. Der Anteil ziviler Opfer ist erheblich. Peter Bergen und Katherine Tiedeman haben mit Hilfe der New America Foundation und einschlägiger Medien eine aktuelle Daten-Basis der US-Dronen-Einsätze versucht zu rekonstruieren.

Experten zufolge ist damit zu rechnen, dass Drohnen auch in Afghanistan vermehrt zur Anwendung kommen. Vor dem Hintergrund aktueller Abzugs-Debatten wie sie in mehreren Ländern geführt werden, bergeb die in der Regel aus den USA oder Europa ferngesteuerten Geschosse eine strategische Verheissung für führende Militärs und Politiker.

Die juristische Rechtfertigung der US-Administration folgt, wie der Bericht zeigt, einer politischen Argumentationslinie, bei der deutlich wird, dass die Politik von US-Präsident (und Friedensnobelpreisträger) Obama in der Kontinuität seines Vorgängers liegt und weniger in einem Paradigmen-Wechsel.
Amerikanischen Medienberichten zufolge sind die Einsätze von US-Spezialkräften gegen Al Qaida und andere Gruppen unter Präsident Obama wesentlich ausgeweitet worden.

Neben der hohen Rate an zivilen Opfern stehen auch juritische Fragezeichen des Einsatzes von Drohnen zunehmend im Fokus der Debatte. Der aktuelle Bericht des UN-Rapporteurs Philip Alston fordert vor allem eine Ende illegaler Praktiken durch die CIA auf diesem Feld. Stichworte, die auch das Nobelpreis-Kommittee mit Interesse registrieren wird.

Lesenswert auch die Artikel in Lettre International und Le Monde.