After the death of Mullah Omar has been confirmed, many observers ask
what follows out of it for the Taliban as a political-military movement.
'Will the Taliban survive the official announcement of his death?',
the RFE/RL Afghan Service asks for instance, echoing that fundamental
changes in the insurgency are ahead.
Find a piece I wrote for German Service Deutschlandfunk (not to be mixed up
with the Deutsche Welle)
here:
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Nachdem bekannt wurde, dass Taliban-Anführer Mullah Omar bereits seit zwei Jahren tot ist – eine Nachricht, die erst der afghanische Geheimdienst publik machte, dann die pakistanische Regierung und zu guter letzt die Taliban selbst – ist binnen weniger Tage der Friedensprozess mit der afghanischen Regierung zum erliegen gekommen.
Das Ende von offiziellen Gesprächen mit Taliban-Vertretern geht einher mit einer neuen Serie ungewohnt heftiger Anschläge in Afghanistan auf staatliche Einrichtungen mit einer extrem hohen Zahl ziviler Opfer. Präsident Ashraf Ghani hat deshalb den Friedensprozess vorrübergehend beendet und verlangt, dass endlich „Pakistan die gleiche Definition von Terrorismus an den Tag legt, wie Afghanistan“.
Während Ghani noch vor Wochenfrist gehofft und erklärt hatte, die Klarheit über den Tod von Mullah Omar eröffne neue Perspektiven für den Frieden, scheint in Wahrheit das Gegenteil eingetroffen. Der Terror hat eine neue Chance bekommen.
Dahinter dürften sich zahlreiche Machtkämpfe innerhalb der Taliban verbergen. Ein klares Bild zu entwerfen über die Stärke der rivalisierenden Fraktionen vermag im Moment kein Beobachter.
Fest steht, dass der zu Omars Nachfolger ernannte Mullah Akhtar Mansur innerhalb der Bewegung auf Widerstände stößt, darunter von Mullah Omars Sohn Yaqoub, der ebenfalls die Nachfolge beanspruchen soll.
Mansur hatte bis zuletzt versucht, den Einfluss Pakistan auf die der Taliban zu mindern. So verlegte er die Verhandlungsführung der Friedensgespräche von Pakistan nach Qatar und zog sich damit den Zorn Islamabads zu. Pakistan wiederum setzte daraufhin Taliban-Vertreter mit an den Tisch, die Mansur nicht gebilligt hatte.
Auch die späte Bestätigung von Mullah Omars Tod, die Mansurs Absichten zuwiderlief, könnte vom pakistanischen Geheimdienst ISI orchestriert sein, wird nun vielfach vermutet. Mansur hat zwar den Führungsrat der Taliban für die Wahl seiner Nachfolge einberufen. Ob und inwieweit ihm dies aber Gefolgschaft garantiert oder vielmehr die beginnende Zersplitterung der Bewegung vertieft, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. In Kabul wird vermutet, dass Pakistan versucht, seinen Einfluss auf die Pakistan wieder zurückzugewinnen.
Viel spricht dafür, dass diese Kräfteverschiebungen sich in den nächsten Wochen in vermehrtem Terror entladen könnten, zumal die zwei Stellvertreter Mansurs an der Spitze der Taliban nun Anführer des Haqqani-Netzwerkes sind, das von der US-Regierung – anders als die Taliban selbst zuletzt – als Terrorgruppierung gelistet wurde.
Das Verbindungsbüro der Taliban in Qatar ist als politischer Akteuer erst einmal geschwächt und sein Vorsitzender als Folge des Führungsstreits zurückgetreten. In Afghanistan selbst hat der Friedenskurs, der sich noch bis zum 30. Juli so positiv anhörte, erstmal sein Unterstützer verloren. Die Rechnung zahl wie so oft die Zivilbevölkerung.
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The lines above are an update on my anaylisis
with German Broadcaster Deutschlandfuk
here
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„Werden die Taliban die Nachricht vom Tod Mullah Omars überleben?“, fragt der Afghanistan-Dienst von Radio Free Europe, einer der meistgehörten Informationsquellen für viele Afghanen, in seiner jüngsten Ausgabe. Die Frage mag zugespitzt erscheinen. Gleichwohl ist nicht zu leugnen, dass die offizielle Bestätigung des Todes einer der ominösesten weil von Mythen umrankten Personen der Zeitgeschichte, eine Zäsur für die Taliban-Bewegung und damit auch für Krieg und Frieden am Hindukusch bedeutet. Obwohl im Zuge der um zwei Jahre verspäteten Todesnachricht jetzt zahlreiche Szenarios möglich erscheinen, steht immerhin fest, dass auch die Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung einmal mehr einen merklichen Dämpfer erhalten haben. Anders ist die Aussetzung der nächsten Verhandlungsrunde nicht zu erklären.
Als US-Spezialkräfte Osama Bin Laden im Mai vor vier Jahren zur Strecke brachten führten die Spuren nach Pakistan. Auch jetzt zieht Islamabad – das die Taliban groß gemacht hat – im Hintergrund die Fäden: Die zweite Runde der eben erst gestarteten Friedensgespräche ist geplatzt. Das haben nicht etwa die Taliban bekanntgegeben, auch nicht die Regierung in Kabul, sondern das Außenministerium in Islamabad. Die Unterbrechung sei, so das Statement, der Wunsch der Taliban-Führung und die Folge der Nachrichten zum Tod ihres Anführers Mullah Omar.
Man darf wohl davon ausgehen, dass der pakistanische Geheimdienst ISI – ähnlich wie im Fall Bin Laden – wusste, wo sich Mullah Omar aufhielt seit er sich Ende 2001 der Verfolgung durch das US-Militär entzog. Mutmaßungen, die Nachricht von seinem Ableben sei nun gezielt lanciert worden, um die Gesprächsgrundlage für die anstehenden Verhandlungen zwischen Taliban und afghanischer Regierung noch einmal zu verhindern, kommen nicht von ungefähr. Immer wieder wurden Friedensgespräche in den vergangenen Jahren durch Indiskretionen u.a. aus dem Umkreis pakistanischer Dienste torpediert bzw. beeinflusst.
Nach Informationen des afghanischen Geheimdienstes starb Omar bereits vor zwei Jahren in einer Klinik im pakistanischen Karachi.
Spät haben die Taliban die Meldung schließlich bestätigt unter dem Druck der Ereignisse. Diese drohen die Bewegung jetzt ihrer seit 2001 größten Zerreißprobe auszusetzen.
Obwohl nicht mit einer so hohen Kopfgeld-Prämie versehen, könnte der Tod von Mullah Omar größere politische Auswirkungen haben als der von Osama Bin Laden. Denn eine Reihe von Absetzbewegungen abtrünniger Splittergruppen zuletzt, aber auch Machtkämpfe in der Taliban-Spitze selbst, könnten den Zerfallsprozess der Taliban als politisch-militärische Bewegung, im schlimmsten Fall, beschleunigen.
Das wäre dann ein denkbar schlechtes Szenario für Kabul und den Westen. Denn die afghanische Regierung ist für Frieden und Verhandlungen auf eine vergleichsweise einige Taliban-Front angewiesen. Mit dem heutigen Tag aber ist womöglich für eine ganze Weile fraglich, wer die Führung der Taliban stellt und ob diese es schaffen, ihre innere Krise zu überwinden.
Zu Omars Nachfolger ist in einem Verfahren, über das bislang keine Einzelheiten bekannt sind, der bisherige Taliban-Vizechef Mansur ernannt worden. Ziemlich sicher ist damit zu rechnen, dass es hierzu aus der Bewegung Widerspruch und Widerstand geben wird. Mullah Omars Sohn Yacub, der Mitte zwanzig ist, wird ebenfalls als einer der Prätendenten genannt in Agenturberichten.
Eine Zerfaserung der Taliban als Bewegung könnte wiederum das Geschäft des sogenannten Islamischen Staates machen – mutmaßen nicht nur Experten und Medien. Auch Präsident Ghani hat sich wiederholt in dem Sinn geäußert. Neben usbekischen und pakistanischen Terroristen sind es hier wiederum rivalisierende Taliban, die eine Rechnung mit der aktuellen Führung offen haben, die die Fronten wechseln.
IS-Strukturen wie im Irak oder Syrien sind in Afghanistan allerdings bislang nicht in Sicht. Ein Erstarken des IS am Hindukusch könnte gleichwohl eine Art neuen Zwei-Fronten-Auseinandersetzung in Afghanistan bedeuten. Wobei die Taliban alter couleur den IS ausdrücklich als Gegner ansehen. Ihre Agenda beschränkt sich auf Afghanistan. Eine Allianz scheint hier nach allen Regeln der politischen Logik ausgeschlossen.
Über Mullah Omar selbst ist für einen Führer seines politischen Ausmaßes über Jahre vergleichsweise wenig bekannt. Vor allem wird er als Steigbügelhalter der fatalen Partnerschaft mit Al Qaida in Afghanistan in die Geschichte eingehen. Weil er – durchaus gegen Widerspruch aus den eigenen Reihen, soweit man weiß – auch nach dem Angriff auf das World Trade Center darauf Bestand, Bin Laden in Kandahar ein Refugium für ihn, Teile seiner Familie und für seine Bewegung zu gewähren, fand die US-Intervention in Afghanistan statt.
Kein Video oder Audio des etwa 55-Jährigen seit 2001. In der Kommunikationswelt des modernen Jihad musste auch dies propagandistisch früher oder später danebengehen.
Über den Umgang mit Omars Vita wurden innerhalb der Bewegung zuletzt heftig gestritten. Dass sein mutmaßlicher Segen für die jüngsten Friedensgespräche Fassade war, wissen wir jetzt. Es kommt jene teuer zu stehen, die verhandeln wollten. Die weiter im Kampf gegen US- und NATO stehen, dürften sich dagegen gestärkt fühlen.