Sonntag, 2. Mai 2010

Tag der Pressefreiheit

Freie Berichterstattung ist ein Gut, das asymmetrisch verteilt zu sein scheint auf dem Erdball. Dort wo Journalisten auf die grössten Herausforderungen stossen, treffen sie oft auch auf die schwierigsten Bedingungen. Dies zumal westliche Politik und Medien oft mehr ihre 'eigenen' Vertreter im Blick haben.
Im jüngsten Media Watch Report aus Kabul kann man nachlesen, warum die afghanische Regierung
vieles unternimmt, um freie Berichterstattung über terroristische Anschläge zu verhindern; ein Phänomen, das bereits seit 2006 wiederholt zu beobachten ist. Afghanische Medien sehen darin einen Verfassungsbruch und den Versuch der Zensur.
Zugleich belegen sie mit ihren Protesten, dass es - bei weitgehend ausbleibender internationaler Hilfe für unabhängige afghanische Medien - so etwas wie den (zugegeben zarten) Nukleus einer Zivilgesellschaft gibt.
Offenbar steht der vergleichsweise liberale Kultur- und Informationsminister im aktuellen Kabinett Karsai, Raheen, der im Westen seine akademische Ausbildung absolviert hat, in dem Konflikt auf Seiten der Medien. Sein Vorgänger Khurram, ein Mann der der Hezb-i-Islami zugerechnet wird, hatte noch vor wenigen Monaten die afghanischen Medien als einen schädlichen Import des Westens apostrophiert.
Raheen, so hebt Reporter ohne Grenzen hervor, habe Vetreter der eigenen Regierung und der Medien an einen Tisch bekommen, und auf einen schriftlichen Kompromiss gedrungen. Die Berichterstattung über terroristische Anschläge steht demnach nun unter folgendem Vorbehalt:

"...all media should avoid broadcasting pictures of terrorist incidents and victims of such incidents; Broadcasting footage showing security forces in action against terrorists, that discloses the method used in the operation, should be avoided; and,
ultimate professional precision should be used while broadcasting news about terrorist incidents.”

Das Problem ist damit nicht wirklich vom Tisch. U.a. weil keine Restriktionen gegen den afghanischen Geheimdienst ausgesprochen, der spätestens seit 2006 wiederholt afghanische Medienschaffende einschüchtert, drangsaliert oder vorübergehend in Haft genommen hat.
Man muss keine hellseherischen Fähgikeiten haben, um zu verstehen, dass dies auch Tendenzen der Selbstzensur nach sich zieht unter afghanischen Medienschaffenden. Reaktionen des Westens zum o.g. (Holbrooke, H.Clinton) hierauf hat es punktuell gegeben; hier wie in anderen Fällen scheint es allerdings an der Konsequenz zu fehlen, den Druck hoch zu halten.
Schien sich der schwierige Alltag afghanischer Journalisten und Journalistinnen seit geraumer Zeit in einem sich ständig verändernden Dreieck aus afghanischer Regierung, Taliban und NATO-Militär abzuspielen, so zeichnet sich mittlerweile eine Quadratur ab: "The media is in the hands of warlords", schreibt ein Herausgeber aus Kunduz besorgt, der zur Gründergeneration unabhängiger Medien seit 2001 gehört.
Im Norden, darauf verweist die Gesellschaft für bedrohte Völker, festigt das NATO-Militär ausserdem die bekannten Warlords u.a. durch eine Politik weitläufiger Kompromisse und des geringen Widerstandes.
Die Taliban schließlich gelten den einschlägigen Pressefreiheit-watchdogs als "predators of press freedom who have the power to censor, imprison, kidnap, torture and, in the worst cases, murder journalists."

Die Forderungsliste nicht nur von RSF bleibt somit aktuell:
1. That the Taliban leaders put a stop to the kidnappings, threats and attacks against journalists.
2.That the (Afghan, Anm.d.A.) authorities pay more attention to the fate of journalists in the provinces, especially in the south and east.
3. That the international forces allow the press easier access to the areas that are being contested with the Taliban.
4. That Afghan and international journalists’ organisations seek ways to protect threatened journalists that are an alternative to self-exile.